Language of document : ECLI:EU:C:2017:147

SCHLUSSANTRÄGE DES GENERALANWALTS

YVES BOT

vom 1. März 2017(1)

Rechtssache C60/16

Mohammad Khir Amayry

gegen

Migrationsverket

(Vorabentscheidungsersuchen des Kammarrätt i Stockholm – Migrationsöverdomstolen [Oberverwaltungsgericht Stockholm – Berufungsgericht für Einwanderungssachen, Schweden])

„Vorlage zur Vorabentscheidung – Verordnung (EU) Nr. 604/2013 – Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist – Art. 28 – Inhaftnahme der betreffenden Person für die Zwecke ihrer Überstellung in den zuständigen Mitgliedstaat – Frist, innerhalb deren die Überstellung durchzuführen ist – Berechnung der Frist – Nationale Regelung, die die Haft der betreffenden Person und deren Verlängerung für die Dauer von mehr als zwei Monaten zulässt – Zulässigkeit“






 I. – Einleitung

1.        Im vorliegenden Fall wird der Gerichtshof ersucht, Art. 28 Abs. 3 der Verordnung (EU) Nr. 604/2013(2) auszulegen, um die Fristen zu bestimmen, die auf das Verfahren für die Überstellung einer Person, die internationalen Schutz beantragt hat und bis zu ihrer Überstellung in den für die Prüfung ihres Antrags zuständigen Mitgliedstaat in Haft genommen wurde, anwendbar sind.

2.        Um die Durchführung dieser Überstellung zu gewährleisten, gestattet der Unionsgesetzgeber den Mitgliedstaaten, die betreffende Person in Haft zu nehmen, wenn sich nach einer Einzelfallprüfung die Gefahr erweist, dass sie sich dem Überstellungsverfahren entziehen könnte, und nur in dem Fall, dass die Inhaftnahme verhältnismäßig ist und sich weniger einschneidende Maßnahmen nicht anwenden lassen.

3.        Um sicherzustellen, dass die Haft so kurz wie möglich ist, hat der Gesetzgeber in Art. 28 Abs. 3 der Dublin‑III-Verordnung – um dessen Auslegung hier ersucht wird – unter Berücksichtigung der Grundsätze der Erforderlichkeit und der Verhältnismäßigkeit Fristen bestimmt, die auf das Verfahren zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats und die praktische Durchführung des Überstellungsverfahrens anwendbar sind.

4.        Mit seinen Vorlagefragen möchte das vorlegende Gericht wissen, wie diese Fristen in einem Fall zu berechnen sind, der vom Unionsgesetzgeber nicht vorgesehen ist.

5.        Der Antragsteller wurde nicht in einem Frühstadium in Haft genommen, wie dies in Art. 28 Abs. 3 dieser Verordnung ausdrücklich vorgesehen ist – das heißt, bevor der ersuchende Mitgliedstaat das Gesuch um Aufnahme- oder Wiederaufnahme eines Antragstellers an den von ihm als zuständig erachteten Mitgliedstaat stellt –, sondern in einem späteren Stadium, als Letzterer dieses Gesuch angenommen hatte und daher nur mehr die praktischen Modalitäten für die Durchführung der Überstellung zu regeln waren.

6.        Wenngleich sich die Antwort auf die Fragen des vorlegenden Gerichts nicht aus dem Wortlaut von Art. 28 Abs. 3 dieser Verordnung ergibt, kann sie dennoch zunächst aus der Systematik dieses Artikels und insbesondere den Grundsätzen der Verhältnismäßigkeit und Erforderlichkeit, auf denen die Fristen beruhen, die auf das Verfahren für die Überstellung eines in Haft genommenen Antragstellers anwendbar sind, sodann aus den vom Unionsgesetzgeber in diesem Zusammenhang verfolgten Zielen und schließlich aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs abgeleitet werden.

7.        Nach meiner Analyse werde ich dem Gerichtshof vorschlagen, festzustellen, dass die Mitgliedstaaten in einer Situation wie der in Rede stehenden über eine Frist von sechs Wochen ab Inhaftnahme des Antragstellers verfügen, um dessen Überstellung durchzuführen.

8.        Ich werde auch darlegen, dass diese Frist neu zu laufen beginnt, wenn der Antragsteller ein Rechtsmittel gegen die Überstellungsentscheidung eingelegt oder deren Überprüfung beantragt hat, und zwar von dem Zeitpunkt an, ab dem dieses Rechtsmittel oder diese Überprüfung keine aufschiebende Wirkung mehr hat, unabhängig davon, ob diese Aussetzung automatisch erfolgt, ob sie von den zuständigen nationalen Gerichten verfügt wurde oder ob sie von der betreffenden Person nach Art. 27 Abs. 3 der Dublin‑III-Verordnung beantragt wurde.

9.        Schließlich werde ich die Gründe dafür anführen, warum ich unter Berücksichtigung dieser Auslegung der Ansicht bin, dass Art. 28 Abs. 3 dieser Verordnung einer nationalen Vorschrift wie der in Rede stehenden entgegensteht, wonach die Inhaftnahme eines Antragstellers für die Zwecke seiner Überstellung für die Dauer von mehr als sechs Wochen gestattet und die Verlängerung der Frist bis zu einer Dauer von zwölf Monaten erlaubt wird, aus Gründen, die den Erfordernissen der Klarheit und Vorhersehbarkeit nicht genügen, die bei der Verhängung freiheitsbeschränkender Maßnahmen einzuhalten sind.

 II.      Rechtlicher Rahmen

 A. Unionsrecht

 1.      Richtlinie 2013/33/EU

10.      Art. 8 Abs. 3 Buchst. f der Richtlinie 2013/33/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung von Normen für die Aufnahme von Personen, die internationalen Schutz beantragen(3), bestimmt:

„Ein Antragsteller darf nur in Haft genommen werden,

f)      wenn dies mit Artikel 28 der [Dublin‑III-Verordnung] in Einklang steht.“

11.      Art. 9 Abs. 1 („Garantien für in Haft befindliche Antragsteller“) dieser Richtlinie bestimmt:

„Ein Antragsteller wird für den kürzestmöglichen Zeitraum und nur so lange in Haft genommen, wie die in Artikel 8 Absatz 3 genannten Gründe gegeben sind.

Die Verwaltungsverfahren in Bezug auf die in Artikel 8 Absatz 3 genannten Gründe für die Inhaftnahme werden mit der gebotenen Sorgfalt durchgeführt. Verzögerungen in den Verwaltungsverfahren, die nicht dem Antragsteller zuzurechnen sind, rechtfertigen keine Fortdauer der Haft.“

 2.      DublinIII-Verordnung

12.      Der 20. Erwägungsgrund dieser Verordnung sieht Folgendes vor:

„Die Inhaftnahme von Antragstellern sollte nach dem Grundsatz erfolgen, wonach eine Person nicht allein deshalb in Haft genommen werden darf, weil sie um internationalen Schutz nachsucht. Die Haft sollte so kurz wie möglich dauern und den Grundsätzen der Erforderlichkeit und Verhältnismäßigkeit entsprechen. Insbesondere muss die Inhaftnahme von Antragstellern im Einklang mit Artikel 31 der Genfer Konvention [vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge] stehen. Die in dieser Verordnung vorgesehenen Verfahren in Bezug auf eine in Haft genommene Person sollten vorrangig schnellstmöglich angewandt werden.“

13.      Art. 27 („Rechtsmittel“) dieser Verordnung bestimmt:

„(1)      Der Antragsteller … hat das Recht auf ein wirksames Rechtsmittel gegen eine Überstellungsentscheidung in Form einer auf Sach- und Rechtsfragen gerichteten Überprüfung durch ein Gericht.

(3)      Zum Zwecke eines Rechtsbehelfs gegen eine Überstellungsentscheidung oder einer Überprüfung einer Überstellungsentscheidung sehen die Mitgliedstaaten in ihrem innerstaatlichen Recht Folgendes vor:

a)      dass die betroffene Person aufgrund des Rechtsbehelfs oder der Überprüfung berechtigt ist, bis zum Abschluss des Rechtsbehelfs oder der Überprüfung im Hoheitsgebiet des betreffenden Mitgliedstaats zu bleiben; oder

b)      dass die Überstellung automatisch ausgesetzt wird und diese Aussetzung innerhalb einer angemessenen Frist endet, innerhalb der ein Gericht, nach eingehender und gründlicher Prüfung, darüber entschieden hat, ob eine aufschiebende Wirkung des Rechtsbehelfs oder der Überprüfung gewährt wird; oder

c)      die betreffende Person hat die Möglichkeit, bei einem Gericht innerhalb einer angemessenen Frist eine Aussetzung der Durchführung der Überstellungsentscheidung bis zum Abschluss des Rechtsbehelfs oder der Überprüfung zu beantragen. Die Mitgliedstaaten sorgen für einen wirksamen Rechtsbehelf in der Form, dass die Überstellung ausgesetzt wird, bis die Entscheidung über den ersten Antrag auf Aussetzung ergangen ist. Die Entscheidung, ob die Durchführung der Überstellungsentscheidung ausgesetzt wird, wird innerhalb einer angemessenen Frist getroffen, welche gleichwohl eine eingehende und gründliche Prüfung des Antrags auf Aussetzung ermöglicht. Die Entscheidung, die Durchführung der Überstellungsentscheidung nicht auszusetzen, ist zu begründen.

(4)      Die Mitgliedstaaten können vorsehen, dass die zuständigen Behörden beschließen können, von Amts wegen tätig zu werden, um die Durchführung der Überstellungsentscheidung bis zum Abschluss des Rechtsbehelfs oder der Überprüfung auszusetzen.“

14.      Art. 28 der Dublin‑III-Verordnung, der sich in deren Abschnitt V („Inhaftnahme zum Zwecke der Überstellung“) befindet, sieht vor:

„(1)      Die Mitgliedstaaten nehmen eine Person nicht allein deshalb in Haft, weil sie dem durch diese Verordnung festgelegten Verfahren unterliegt.

(2)      Zwecks Sicherstellung von Überstellungsverfahren, dürfen die Mitgliedstaaten im Einklang mit dieser Verordnung, wenn eine erhebliche Fluchtgefahr besteht[(4)], nach einer Einzelfallprüfung die entsprechende Person in Haft nehmen und nur im Falle[,] dass Haft verhältnismäßig ist und sich weniger einschneidende Maßnahmen nicht wirksam anwenden lassen.

(3)      Die Haft hat so kurz wie möglich zu sein und nicht länger zu sein, als bei angemessener Handlungsweise notwendig ist, um die erforderlichen Verwaltungsverfahren mit der gebotenen Sorgfalt durchzuführen, bis die Überstellung gemäß dieser Verordnung durchgeführt wird.

Wird eine Person nach diesem Artikel in Haft genommen, so darf die Frist für die Stellung eines Aufnahme- oder Wiederaufnahmegesuchs einen Monat ab der Stellung des Antrags nicht überschreiten. Der Mitgliedstaat, der das Verfahren gemäß dieser Verordnung durchführt, ersucht in derartigen Fällen um eine dringende Antwort. Diese Antwort erfolgt spätestens zwei Wochen nach Eingang des Gesuchs. Wird innerhalb der Frist von zwei Wochen keine Antwort erteilt, ist davon auszugehen, dass dem Aufnahme- bzw. Wiederaufnahmegesuch stattgegeben wird, was die Verpflichtung nach sich zieht, die Person aufzunehmen und angemessene Vorkehrungen für die Ankunft zu treffen.

Befindet sich eine Person nach diesem Artikel in Haft, so erfolgt die Überstellung aus dem ersuchenden Mitgliedstaat in den zuständigen Mitgliedstaat, sobald diese praktisch durchführbar ist und spätestens innerhalb von sechs Wochen nach der stillschweigenden oder ausdrücklichen Annahme des Gesuchs auf Aufnahme oder Wiederaufnahme der betreffenden Person durch einen anderen Mitgliedstaat oder von dem Zeitpunkt an, ab dem der Rechtsbehelf oder die Überprüfung gemäß Artikel 27 Absatz 3 keine aufschiebende Wirkung mehr hat.

Hält der ersuchende Mitgliedstaat die Fristen für die Stellung eines Aufnahme- oder Wiederaufnahmegesuchs nicht ein oder findet die Überstellung nicht innerhalb des Zeitraums von sechs Wochen im Sinne des Unterabsatz 3 statt, wird die Person nicht länger in Haft gehalten. Die Artikel 21, 23, 24 und 29 gelten weiterhin entsprechend.

(4)      Hinsichtlich der Haftbedingungen und der Garantien für in Haft befindliche Personen gelten zwecks Absicherung der Verfahren für die Überstellung in den zuständigen Mitgliedstaat, die Artikel [9 bis 11] der Richtlinie [2013/33].“

15.      Art. 29 Abs. 1 der Dublin‑III-Verordnung, der sich im Abschnitt VI („Überstellung“) befindet, bestimmt:

„Die Überstellung des Antragstellers … aus dem ersuchenden Mitgliedstaat in den zuständigen Mitgliedstaat erfolgt gemäß den innerstaatlichen Rechtsvorschriften des ersuchenden Mitgliedstaats nach Abstimmung der beteiligten Mitgliedstaaten, sobald dies praktisch möglich ist und spätestens innerhalb einer Frist von sechs Monaten nach der Annahme des Aufnahme- oder Wiederaufnahmegesuchs durch einen anderen Mitgliedstaat oder der endgültigen Entscheidung über einen Rechtsbehelf oder eine Überprüfung, wenn diese gemäß Artikel 27 Absatz 3 aufschiebende Wirkung hat.

…“

 B. Schwedisches Recht

16.      Das Utlänningslag (Ausländergesetz) vom 29. September 2005(5) sieht in Kapitel 1 § 8 vor, dass das Gesetz so anzuwenden ist, dass die Freiheit der betreffenden Person nicht mehr als im jeweiligen Einzelfall erforderlich eingeschränkt wird.

17.      Nach seinem Kapitel 1 § 9 gelten die Vorschriften über Zurück- und Ausweisungen entsprechend auch für Überstellungsentscheidungen gemäß der Dublin‑III-Verordnung.

18.      Die Bestimmungen betreffend die Inhaftnahme und die Überwachung von Ausländern sind in Kapitel 10 des Ausländergesetzes zu finden.

19.      Nach § 1 Abs. 2 Nr. 3 dieses Kapitels kann ein Ausländer, der das 18. Lebensjahr vollendet hat, zum Zweck der Vorbereitung oder Durchführung einer Entscheidung über eine Zurück- oder Ausweisung in Haft genommen werden.

20.      Nach Kapitel 10 § 1 Abs. 3 dieses Gesetzes ist eine Inhaftnahme nur möglich, wenn andernfalls die Gefahr besteht, dass die betreffende Person in Schweden eine Straftat begehen oder sich durch Flucht, Verbergen oder auf andere Weise der Durchführung der Überstellungsentscheidung entziehen werde.

21.      Nach Kapitel 10 § 4 Abs. 2 des Ausländergesetzes darf die zum Zweck einer Überstellung gegen einen Ausländer angeordnete Haft nicht länger als zwei Monate andauern, falls keine eine längere Haft rechtfertigenden schwerwiegenden Gründe vorliegen. Wenn solche Gründe vorliegen, kann der Ausländer nicht länger als drei Monate in Haft genommen werden. Wenn die Durchführung der Überstellungsentscheidung wegen mangelnder Kooperation des Ausländers oder deshalb, weil die Beschaffung der erforderlichen Dokumente Zeit braucht, voraussichtlich länger dauern wird, beträgt die maximale Dauer zwölf Monate.

22.      Nach Kapitel 12 § 13 dieses Gesetzes kann das Migrationsverk (schwedische Einwanderungsbehörde) die Durchführung von Abschiebungsentscheidungen aussetzen, wenn dies aus besonderen Gründen gerechtfertigt ist.

 III.      Sachverhalt und Vorlagefragen

23.      Herr Mohammad Khir Amayry stellte am 19. Dezember 2014 in Schweden einen Antrag auf internationalen Schutz. Eine Abfrage im Eurodac-System ergab jedoch, dass die betreffende Person einige Tage zuvor, am 6. Dezember 2014, nach Italien eingereist war und am 17. Dezember 2014 auch bei den dänischen Behörden Schutz beantragt hatte. Aufgrund dessen ersuchte die schwedische Einwanderungsbehörde die italienischen Behörden am 15. Januar 2015 in Anwendung von Art. 13 Abs. 1 der Dublin‑III-Verordnung um Wiederaufnahme der betreffenden Person.

24.      Am 18. März 2015 gaben die italienischen Behörden diesem Ersuchen statt.

25.      Am 2. April 2015 lehnte die Einwanderungsbehörde daher den Antrag des Betroffenen auf Erteilung eines Aufenthaltstitels, einschließlich seines Antrags auf internationalen Schutz, ab und beschloss, ihn nach Italien zu überstellen. Zudem beschloss die Einwanderungsbehörde, ihn in Haft zu nehmen, weil sie der Ansicht war, dass eine erhebliche Fluchtgefahr bestehe.

26.      Herr Khir Amayry erhob gegen diese Entscheidungen Klage beim Förvaltningsrätt i Stockholm (Verwaltungsgericht Stockholm, Schweden). Im Zusammenhang mit dieser Klage beschloss die Einwanderungsbehörde nach Kapitel 12 § 13 des Ausländergesetzes und Art. 27 Abs. 3 Buchst. c der Dublin‑III-Verordnung, die Durchführung der Überstellungsentscheidung auszusetzen. Diese Klage wurde am 29. April 2015 vom Förvaltningsrätt i Stockholm (Verwaltungsgericht Stockholm) mit der Begründung abgewiesen, dass sich Herr Khir Amayry im Fall einer Haftentlassung durch Flucht, Verbergen oder auf andere Weise der Durchführung der Überstellungsentscheidung entziehen werde. Letzterer legte gegen dieses Urteil beim vorlegenden Gericht ein Rechtsmittel ein.

27.      Am 8. Mai 2015 wurde die Überstellungsentscheidung durchgeführt. Herr Khir Amayry kehrte anschließend zurück nach Schweden, wo er am 1. Juni 2015 erneut einen Antrag auf internationalen Schutz stellte.

28.      Am 30. Juli 2015 wies das vorlegende Gericht das Rechtsmittel insoweit zurück, als es die Frage der Überstellung betraf, ließ es jedoch insoweit zu, als es die Frage der Inhaftnahme betraf.

29.      Unter diesen Umständen hat das Kammarrätt i Stockholm – Migrationsöverdomstolen (Oberverwaltungsgericht Stockholm – Berufungsgericht für Einwanderungssachen, Schweden) beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof die folgenden Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:

1.      Ist die Sechswochenfrist des Art. 28 Abs. 3 der Dublin‑III-Verordnung, wenn sich eine Person, die internationalen Schutz beantragt hat, zu dem Zeitpunkt, zu dem der zuständige Mitgliedstaat ihrer Aufnahme zustimmt, nicht in Haft befindet, aber zu einem späteren Zeitpunkt in Haft genommen wird – weil erst dann eine erhebliche Fluchtgefahr angenommen wird –, ab dem Tag der Inhaftnahme oder ab einem anderen Zeitpunkt und gegebenenfalls ab welchem zu berechnen?

2.      Wird durch Art. 28 der Dublin‑III-Verordnung, wenn sich eine Person, die internationalen Schutz beantragt hat, zu dem Zeitpunkt, zu dem der zuständige Mitgliedstaat ihrer Aufnahme zustimmt, nicht in Haft befindet, die Anwendung nationaler Rechtsvorschriften ausgeschlossen, soweit sich danach, was Schweden betrifft, ein Ausländer zum Zweck der Überstellung nicht länger als zwei Monate in Haft befinden darf, falls keine eine längere Haftzeit rechtfertigenden schwerwiegenden Gründe vorliegen, und die Haft des Ausländers, wenn solche schwerwiegenden Gründe vorliegen, nicht länger als drei Monate bzw., wenn die Überstellung wegen mangelnder Kooperation des Ausländers oder deshalb, weil die Beschaffung der erforderlichen Dokumente Zeit braucht, voraussichtlich länger dauern wird, nicht länger als zwölf Monate dauern darf?

3.      Wenn ein Überstellungsverfahren neu beginnt, sobald ein Rechtsbehelf oder eine Überprüfung keine aufschiebende Wirkung mehr hat (vgl. Art. 27 Abs. 3 der Dublin‑III-Verordnung), beginnt dann eine neue Sechswochenfrist für die Durchführung der Überstellung oder findet eine Anrechnung beispielsweise der Tage statt, die die betreffende Person bereits in Haft verbracht hat, nachdem der zuständige Mitgliedstaat der Aufnahme oder Wiederaufnahme zugestimmt hat?

4.      Ist es von Bedeutung, dass die Person, die internationalen Schutz beantragt und einen Rechtsbehelf gegen die Überstellungsentscheidung eingelegt hat, die Aussetzung der Durchführung der Überstellungsentscheidung bis zum Abschluss des Rechtsbehelfsverfahrens (vgl. Art. 27 Abs. 3 Buchst. c und Abs. 4 der Dublin‑III-Verordnung) nicht selbst beantragt hat?

 IV.      Würdigung

30.      Ich werde nacheinander die erste, die dritte und die vierte Vorlagefrage würdigen, die jeweils auf die Auslegung der Vorschriften von Art. 28 Abs. 3 der Dublin‑III-Verordnung abzielen. Am Schluss werde ich die zweite Frage prüfen und darauf eingehen, was diese Auslegung für die in Rede stehenden nationalen Rechtsvorschriften bedeutet.

 A.      Zur ersten Vorlagefrage

31.      Mit seiner ersten Frage möchte das vorlegende Gericht vom Gerichtshof im Wesentlichen wissen, ob in einer Situation wie der in Rede stehenden, in der der ersuchende Mitgliedstaat den Antragsteller nach der Annahme des Aufnahme- oder Wiederaufnahmegesuchs durch den zuständigen Mitgliedstaat in Haft genommen hat, Art. 28 Abs. 3 dieser Verordnung dahin auszulegen ist, dass die Sechswochenfrist, die diesen Staaten zugestanden wird, um die Überstellung durchzuführen, ab Inhaftnahme des Antragstellers zu laufen beginnt. Wenn dies nicht der Fall ist, ersucht das vorlegende Gericht den Gerichtshof um Angabe des Beginns dieser Frist.

32.      Mit anderen Worten ersucht das vorlegende Gericht den Gerichtshof um Klarstellungen über die rechtlichen Regelungen, denen die betreffende Person untersteht, und insbesondere darum, die Fristen festzusetzen, die auf das gegen ihn in die Wege zu leitende Überstellungsverfahren anzuwenden sind.

33.      Die Antwort auf diese Frage ergibt sich nicht aus dem Wortlaut von Art. 28 Abs. 3 dieser Verordnung, da der Gesetzgeber eine Situation wie die in Rede stehende nicht ausdrücklich vorgesehen hat.

34.      Diese Antwort kann jedoch zum einen aus der Systematik dieser Vorschrift, insbesondere dem vom Gesetzgeber im ersten Unterabsatz dieser Vorschrift festgelegten Grundsatz und dessen Anwendung im dritten Unterabsatz dieser Vorschrift, und zum anderen aus den mit der Dublin‑III-Verordnung verfolgten Zielen abgeleitet werden.

35.      Der Gesetzgeber legt in Art. 28 Abs. 3 Unterabs. 1 dieser Verordnung den Grundsatz fest, dass die Haft „so kurz wie möglich zu sein und nicht länger zu sein [hat], als bei angemessener Handlungsweise notwendig ist, um die erforderlichen Verwaltungsverfahren mit der gebotenen Sorgfalt durchzuführen, bis die Überstellung … durchgeführt wird“(6).

36.      Der Gesetzgeber setzt hier den im 20. Erwägungsgrund dieser Verordnung angeführten Grundsatz um, wonach die Dauer der Haft den Grundsätzen der Erforderlichkeit und Verhältnismäßigkeit entsprechen muss.

37.      Die Achtung dieses Grundsatzes soll gewährleisten, dass die Beschränkungen der Ausübung des Rechts auf Freiheit des Antragstellers innerhalb der Grenzen des unbedingt Erforderlichen bleiben, während gleichzeitig die Behörden der betreffenden Mitgliedstaaten die materiellen Bedingungen vorfinden, die ihnen ermöglichen, die Überstellung ordnungsgemäß durchzuführen.

38.      In Anwendung dieser beiden Grundsätze legt der Gesetzgeber in Art. 28 Abs. 3 Unterabs. 2 und 3 der Dublin‑III-Verordnung die Fristen fest, die ihm als angemessen erscheinen, damit die Mitgliedstaaten alle Maßnahmen ergreifen können, nämlich zunächst den zuständigen Mitgliedstaat bestimmen, dann den Antragsteller in einer Situation, in der er sich bereits in Haft befindet, überstellen.

39.      Art. 28 Abs. 3 Unterabs. 2 dieser Verordnung regelt das Verfahren vor der Zustimmung des ersuchten Mitgliedstaats zur Wiederaufnahme. Der Gesetzgeber legt somit fest, wie viel Zeit der ersuchende Mitgliedstaat hat, um sein Aufnahme- oder Wiederaufnahmegesuch an den von ihm als zuständig erachteten Mitgliedstaat zu stellen, und wie viel Zeit dieser hat, um darauf zu antworten.

40.      Nach diesem Unterabsatz verfügt der ersuchende Mitgliedstaat über eine Frist von maximal einem Monat ab Stellung des Antrags auf internationalen Schutz durch den Antragsteller, um sein Aufnahme- oder Wiederaufnahmegesuch bei dem von ihm als zuständig erachteten Mitgliedstaat zu stellen, und Letzterer verfügt über eine Frist von zwei Wochen, um darauf zu antworten. Der Ablauf der letztgenannten Frist führt zu einem Übergang der Zuständigkeit auf den ersuchten Mitgliedstaat.

41.      Art. 28 Abs. 3 Unterabs. 3 dieser Verordnung wiederum regelt das Verfahren nach Annahme des Gesuchs um Aufnahme- oder Wiederaufnahme eines Antragstellers durch den ersuchten Staat und den Erlass der Überstellungsentscheidung. Der Gesetzgeber zielt ausdrücklich auf die Überstellung des Antragstellers aus dem ersuchenden Mitgliedstaat in den „zuständigen Mitgliedstaat“ ab, was voraussetzt, dass Letzterer tatsächlich bestimmt worden ist und stillschweigend oder ausdrücklich der Aufnahme oder Wiederaufnahme des Antragstellers zugestimmt hat. Zudem legt der Gesetzgeber fest, dass die Überstellung stattzufinden hat, „sobald diese praktisch durchführbar ist“(7), was das Vorhandensein einer vorausgehenden Entscheidung voraussetzt, mit der grundsätzlich die Überstellung des Antragstellers vom ersuchenden Mitgliedstaat in den zuständigen Mitgliedstaat festgelegt wird.

42.      Mit dieser Vorschrift legt der Gesetzgeber somit die Zeit fest, die der ersuchende Mitgliedstaat hat, um die praktischen Vorkehrungen für die Überstellung zu treffen und die Überstellung durchzuführen, für die die Inhaftnahme des Antragstellers beschlossen wurde.

43.      Der Gesetzgeber ist somit der Auffassung, dass die Frist, die bei angemessener Handlungsweise notwendig ist, um diese Überstellung durchzuführen, höchstens sechs Wochen ab stillschweigender oder ausdrücklicher Annahme des Aufnahme- oder Wiederaufnahmegesuchs oder von dem Zeitpunkt an, ab dem der Rechtsbehelf oder die Überprüfung keine aufschiebende Wirkung mehr hat, beträgt. Der Gesetzgeber lässt somit die Frist von dem Zeitpunkt an laufen, ab dem vereinbart und sichergestellt ist, dass die Überstellung in Zukunft erfolgen wird, und nur mehr die praktischen Modalitäten von deren Durchführung zu regeln sind.

44.      Schließlich legt Art. 28 Abs. 3 Unterabs. 4 der Dublin‑III-Verordnung die Folgen einer Nichteinhaltung der zuvor genannten Fristen fest. Letztere legen für das Überstellungsverfahren, für das die Inhaftnahme beschlossen wurde, einen sehr engen Rahmen fest, da der ersuchende Mitgliedstaat diese Haft beenden muss, wenn es ihm innerhalb der gesetzten Fristen nicht gelingt, sein Gesuch zu stellen oder den Antragsteller zu überstellen, welche Gründe auch immer dieser Staat dafür anführen mag.

45.      Welche Schlussfolgerungen können wir aus der Systematik dieses Rechtstexts ziehen?

46.      Ich stelle fest, dass die in Art. 28 Abs. 3 Unterabs. 2 und 3 dieser Verordnung vorgesehenen Fristen für ein Verfahren gelten, in dem der Antragsteller in einem sehr frühen Stadium in Haft genommen wurde, das heißt, noch bevor der ersuchende Mitgliedstaat das Gesuch um Aufnahme oder Wiederaufnahme des Antragstellers gestellt hat.

47.      Dies geht nicht nur aus dem Wortlaut des zweiten Unterabsatzes dieser Vorschrift hervor, in dem der Gesetzgeber die Frist für die Stellung des Gesuchs festsetzt, sondern auch aus dem Wortlaut des dritten Unterabsatzes dieser Vorschrift, in dem der Gesetzgeber bestimmt, dass die Sechswochenfrist ab Annahme dieses Gesuchs zu laufen beginnt. Die vom Gesetzgeber in Art. 28 Abs. 3 Unterabs. 3 dieser Verordnung festgesetzte Frist folgt somit der Logik der Vorschriften des vorangehenden Unterabsatzes und beruht auf der Tatsache, dass sich der Antragsteller zu dem Zeitpunkt, zu dem der ersuchende Mitgliedstaat das Gesuch um Aufnahme oder Wiederaufnahme stellt, bereits in Haft befindet.

48.      Folglich sind die in Art. 28 Abs. 3 Unterabs. 2 und 3 der Dublin‑III-Verordnung vorgesehenen Fristen nicht für eine Anwendung im Rahmen eines Verfahrens wie dem in Rede stehenden bestimmt, in dem der Antragsteller in Haft genommen wird, nachdem der ersuchte Mitgliedstaat der Aufnahme oder Wiederaufnahme zugestimmt hat, aber bevor praktische Vorkehrungen für dessen Überstellung getroffen worden sind.

49.      Es gibt daher keine besonderen Vorschriften für eine Situation, in der ein Antragsteller aufgrund seiner Inhaftierung vom Anwendungsbereich des Art. 29 Abs. 1 dieser Verordnung – wonach generell eine Frist von höchstens sechs Monaten für die Überstellung eines Antragstellers vorgesehen ist, der nicht in Haft genommen wurde – in den Anwendungsbereich von Art. 28 dieser Verordnung überwechselt – der spezifische Vorschriften und besondere Modalitäten für das Überstellungsverfahren von Personen enthält, die in Haft genommen wurden.

50.      Dennoch bin ich nicht der Ansicht, dass wir es hier mit einem rechtsfreien Raum zu tun haben.

51.      Wie bereits festgestellt(8), findet sich die Antwort auf die Frage des vorlegenden Gerichts zunächst im allgemeinen Grundsatz, den der Unionsgesetzgeber in Art. 28 Abs. 3 Unterabs. 1 der Dublin‑III-Verordnung festgelegt hat. Demnach muss die Haft so kurz wie möglich sein und darf unter Anwendung der Grundsätze der Erforderlichkeit und der Verhältnismäßigkeit nicht länger sein, als bei angemessener Handlungsweise notwendig ist, um die erforderlichen Überstellungsmaßnahmen durchzuführen.

52.      Sodann ist zu beachten, wie der Unionsgesetzgeber diesen Grundsatz in Art. 28 Abs. 3 Unterabs. 3 dieser Verordnung konkret angewandt hat.

53.      Es ist relativ einfach, die rechtliche Lage der betreffenden Person mit der Situation zu vergleichen, auf die diese Vorschrift abzielt, da sich der Einzelne in beiden Fällen zu einem Zeitpunkt in Haft befindet, zu dem die Überstellung zwischen den betreffenden Mitgliedstaaten vereinbart worden ist und daher ihre praktische Durchführung eingeleitet werden kann.

54.      In einer Situation wie der in Rede stehenden gibt es für mich auch keinen Grund, von der Sechswochenfrist abzuweichen, die der Gesetzgeber in dieser Vorschrift festgelegt hat, da dies, wie bereits angeführt(9), der Zeitraum ist, den der Gesetzgeber als bei angemessener Handlungsweise notwendig erachtet hat, damit die betreffenden Mitgliedstaaten praktische Vorkehrungen für die Überstellung treffen können, und zwar ab dem Zeitpunkt, zu dem vereinbart und sichergestellt ist, dass die Überstellung in Zukunft erfolgen wird (sei es aufgrund der Annahme des Gesuchs oder weil der Rechtsbehelf oder die Überprüfung keine aufschiebende Wirkung mehr hat), und wenn lediglich die praktischen Modalitäten der Durchführung der Überstellung zu regeln bleiben. In unserem Fall hat der ersuchte Staat, nämlich Italien, der Wiederaufnahme des Antragstellers tatsächlich zugestimmt.

55.      Diese Frist muss es daher den beiden betroffenen Mitgliedstaaten ermöglichen, sich hinsichtlich der Durchführung der Überstellung untereinander abzustimmen, und es insbesondere dem ersuchenden Mitgliedstaat erlauben, die technischen Modalitäten für die Durchführung der Überstellung zu regeln, die nach den nationalen Rechtsvorschriften dieses letztgenannten Staates erfolgt. Es handelt sich um eine Frist, die beide Staaten in vollem Umfang zur Regelung der technischen Modalitäten für die Durchführung der Überstellung nutzen sollen(10).

56.      Dadurch, dass der Unionsgesetzgeber die Frist für die Durchführung der Überstellung auf sechs Wochen ab dem Zeitpunkt, zu dem grundsätzlich vereinbart und sichergestellt ist, dass die Überstellung in Zukunft erfolgen wird, festgesetzt hat, hat er eine Abwägung vorgenommen zwischen den Anforderungen hinsichtlich der Durchführung eines solchen Verfahrens, das von praktischen und organisatorischen Schwierigkeiten geprägt sein kann, und der Schwere des in Form einer Inhaftnahme erfolgenden Eingriffs in das Recht des Antragstellers auf Freiheit nach Art. 6 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union.

57.      Was den Beginn dieser Frist betrifft, kann es sich nur um den Tag handeln, an dem der Antragsteller tatsächlich in Haft genommen wurde. Es ist offensichtlich, dass in einer Situation wie der in Rede stehenden die Sechswochenfrist des Art. 28 Abs. 3 Unterabs. 3 der Dublin‑III-Verordnung nicht ab Annahme des Gesuchs auf Aufnahme oder Wiederaufnahme zu laufen beginnen kann. In einer solchen Situation ist es möglich, dass die Inhaftnahme des Antragstellers einige Wochen, ja Monate nach dieser Annahme erfolgt, und diese Zeit kann offensichtlich nicht von der Sechswochenfrist abgezogen werden, die die betreffenden Mitgliedstaaten haben, um die Überstellung durchzuführen. Es bestünde die Gefahr, dass diese Frist auf null reduziert, jedenfalls aber so sehr verkürzt würde, dass es dem ersuchenden Mitgliedstaat nicht nur nicht gelingen würde, diese Überstellung durchzuführen, sondern er auch gezwungen wäre, die Haft zu beenden, was die praktische Wirksamkeit des mit dieser Vorschrift festgelegten Verfahrens untergraben würde.

58.      Nach alledem bin ich daher der Auffassung, dass Art. 28 Abs. 3 Unterabs. 1 dieser Verordnung dahin auszulegen ist, dass in einer Situation wie der in Rede stehenden, in der der ersuchende Mitgliedstaat die Person, die internationalen Schutz beantragt hat, in Haft genommen hat, nachdem der ersuchte Mitgliedstaat der Wiederaufnahme dieser Person zugestimmt hat, diese Mitgliedstaaten über eine Frist von sechs Wochen ab Inhaftnahme dieses Antragstellers verfügen, um die Überstellung durchzuführen.

 B.      Zur dritten und zur vierten Vorlagefrage

59.      Mit der dritten und der vierten Frage, die gemeinsam zu prüfen sind, wird der Gerichtshof ersucht, festzustellen, wie die Sechswochenfrist zu berechnen ist, die den Mitgliedstaaten zugestanden wird, um die Überstellung des in Haft befindlichen Antragstellers durchzuführen, wenn dieser gegen die Überstellungsentscheidung ein Rechtsmittel eingelegt oder die Überprüfung dieser Entscheidung beantragt hat.

60.      Insbesondere möchte das vorlegende Gericht wissen, ob Art. 28 Abs. 3 der Dublin‑III-Verordnung dahin auszulegen ist, dass die Mitgliedstaaten von dem Zeitpunkt an, ab dem der Rechtsbehelf oder die Überprüfung keine aufschiebende Wirkung mehr hat, über eine neue Sechswochenfrist verfügen, um die Überstellung des Antragstellers durchzuführen, oder ob eine Anrechnung der Tage stattfindet, die dieser bereits in Haft verbracht hat, nachdem der zuständige Staat das Gesuch auf Aufnahme oder Wiederaufnahme dieses Antragstellers angenommen hat.

61.      Ferner möchte das vorlegende Gericht wissen, ob für die Zwecke dieser Beurteilung die Tatsache zu berücksichtigen ist, dass die betreffende Person nicht die Aussetzung der Durchführung der Überstellungsentscheidung beim zuständigen nationalen Gericht beantragt hat.

62.      Erstens bin ich der Auffassung, dass sich die hier begehrte Auslegung von Art. 28 Abs. 3 dieser Verordnung der Rechtsprechung des Gerichtshofs entnehmen lässt, insbesondere dessen Überlegungen im Urteil vom 29. Januar 2009, Petrosian(11).

63.      In dieser Rechtssache wurde der Gerichtshof ersucht, Art. 20 Abs. 1 Buchst. d der Verordnung (EG) Nr. 343/2003(12) auszulegen, wonach die Überstellung eines Asylbewerbers in den zuständigen Mitgliedstaat zu erfolgen hatte, sobald dies materiell möglich war und spätestens innerhalb einer Frist von sechs Monaten nach der Annahme des Antrags auf (Wieder‑)Aufnahme oder der Entscheidung über den Rechtsbehelf, wenn dieser aufschiebende Wirkung hatte.

64.      Der Gerichtshof wurde gefragt, ob die in dieser Vorschrift enthaltene Frist für die Durchführung der Überstellung bereits ab der vorläufigen gerichtlichen Entscheidung laufe, mit der die Durchführung des Überstellungsverfahrens ausgesetzt werde, oder erst ab der gerichtlichen Entscheidung, mit der über die Rechtmäßigkeit des Verfahrens entschieden werde.

65.      Um diese Frage zu beantworten, hat sich der Gerichtshof vor allem auf eine teleologische Auslegung der betreffenden Vorschrift gestützt und den Schwerpunkt auf das Ziel gelegt, das mit der Festsetzung einer Frist verfolgt wird, innerhalb deren die Mitgliedstaaten die Überstellung durchführen müssen.

66.      Der Gerichtshof hat dementsprechend festgestellt, dass die in Art. 20 Abs. 1 Buchst. d der Verordnung Nr. 343/2003 vorgesehene Frist von sechs Monaten in Anbetracht der praktischen Komplexität und der organisatorischen Schwierigkeiten, die mit der Durchführung der Überstellung einhergehen, das Ziel verfolgt, es den beiden betroffenen Mitgliedstaaten zu ermöglichen, sich im Hinblick auf die Durchführung abzustimmen, und es insbesondere dem ersuchenden Mitgliedstaat zu erlauben, die Modalitäten für die Durchführung der Überstellung zu regeln(13). Er hat auch festgestellt, dass der Beginn dieser Frist so zu bestimmen ist, dass die Mitgliedstaaten über eine Frist von sechs Monaten verfügen können, um die technischen Probleme für die Bewerkstelligung der Überstellung zu regeln. Unter diesen Bedingungen konnte diese Frist erst zu laufen beginnen, wenn grundsätzlich vereinbart und sichergestellt war, dass die Überstellung in Zukunft erfolgen wird, und wenn lediglich deren Modalitäten zu regeln blieben, was folglich bedeutete, dass sie ab der gerichtlichen Entscheidung, mit der über die Rechtmäßigkeit des Verfahrens entschieden wurde, zu laufen begann.

67.      Meiner Ansicht nach ist diese Analyse entsprechend auf den vorliegenden Fall übertragbar.

68.      Wenngleich Art. 28 Abs. 3 der Dublin‑III-Verordnung die Frist für die Durchführung der Überstellung einer in Haft genommenen Person festlegt, verfolgt der Gesetzgeber in diesem Zusammenhang dasselbe Ziel wie im Rahmen von Art. 20 Abs. 1 Buchst. d der Verordnung Nr. 343/2003. Wie wir gesehen haben, muss diese Sechswochenfrist, die den Mitgliedstaaten ab Annahme des Aufnahme- oder Wiederaufnahmegesuchs oder von dem Zeitpunkt an, ab dem der Rechtsbehelf gegen die Überstellungsentscheidung oder die Überprüfung keine aufschiebende Wirkung mehr hat, gewährt wird, Letzteren ermöglichen, praktische Vorkehrungen für die Überstellung einer Person zu treffen, die in Haft genommen wurde.

69.      Es geht also nicht darum, diese bereits kurze Frist um den Zeitraum zu kürzen, den die Person, die internationalen Schutz beantragt hat, in Haft verbracht hat.

70.      Zum einen ist zu berücksichtigen, dass die Inhaftnahme des Antragstellers für die Zwecke seiner Überstellung von einer Freiheitsstrafe zu unterscheiden ist. Wir haben es hier nicht mit der Logik der Bestrafung zu tun, wonach die Anzahl der bereits in Haft verbrachten Tage abzuziehen ist. Hier geht es um eine Verwaltungshaft, deren möglichst kurze Dauer den Behörden ermöglichen soll, die Überstellung der betreffenden Person sicherzustellen.

71.      Zum anderen geht es darum, zu gewährleisten, dass die praktische Wirksamkeit von Art. 28 Abs. 3 dieser Verordnung gewährleistet ist. Die Frist für die Durchführung der Überstellung kann daher nicht um die Anzahl der Tage verkürzt werden, die der Antragsteller in Haft verbracht hat, nachdem der zuständige Mitgliedstaat der Aufnahme oder Wiederaufnahme zugestimmt hat. Wenn dies der Fall wäre, bestünde die Gefahr, dass die Frist, über die die Mitgliedstaaten verfügen, um die Überstellung des Antragstellers durchzuführen, um die Zeit verkürzt würde, die die nationalen Gerichte benötigen, um über die Rechtmäßigkeit der Überstellungsentscheidung zu befinden. In einem solchen Fall könnte die Situation eintreten, dass diese Frist so sehr verkürzt würde, dass die betreffenden Mitgliedstaaten möglicherweise nicht in der Lage sind, die Überstellung des Antragstellers innerhalb dieses sehr kurzen Zeitraums zu organisieren, und dass sie die Haft der betreffenden Person daher gemäß Art. 28 Abs. 3 Unterabs. 4 dieser Verordnung beenden müssen.

72.      Folglich muss der Beginn dieser Frist so bestimmt werden, dass die Mitgliedstaaten tatsächlich über eine Frist von sechs Wochen verfügen, um die praktischen Modalitäten der Durchführung dieser Überstellung zu regeln, wobei diese Frist meines Erachtens von dem Zeitpunkt an laufen muss, ab dem das Rechtsmittel gegen die Überstellungsentscheidung oder die Überprüfung dieser Entscheidung keine aufschiebende Wirkung mehr hat, wie dies in Art. 28 Abs. 3 Unterabs. 3 der Dublin‑III-Verordnung vorgesehen ist.

73.      Zweitens bin ich der Ansicht, dass diese Auslegung der Rechtsvorschrift nicht unterschiedlich sein kann, je nachdem, ob die Aussetzung der Überstellungsentscheidung automatisch erfolgt, ob sie von den zuständigen nationalen Gerichten beschlossen oder von der betreffenden Person beantragt wird.

74.      Es ist darauf hinzuweisen, dass die Mitgliedstaaten nach Art. 27 Abs. 3 dieser Verordnung und um ein Recht auf einen wirksamen Rechtsbehelf des Antragstellers zu gewährleisten, verpflichtet sind, in ihrem nationalen Recht vorzusehen, dass die betreffende Person aufgrund des Rechtsbehelfs oder der Überprüfung berechtigt ist, bis zum Abschluss des Rechtsbehelfs oder der Überprüfung im Hoheitsgebiet des ersuchenden Mitgliedstaats zu bleiben (Buchst. a dieser Vorschrift), „oder“ dass die Überstellung automatisch ausgesetzt wird und ein Gericht innerhalb angemessener Frist prüft, ob eine aufschiebende Wirkung dieses Rechtsbehelfs oder dieser Überprüfung gewährt wird (Buchst. b dieser Vorschrift), „oder“ dass die betreffende Person die Möglichkeit hat, eine Aussetzung der Durchführung der Überstellungsentscheidung bis zum Abschluss des Rechtsbehelfs oder der Überprüfung zu beantragen (Buchst. c dieser Vorschrift).

75.      Wie aus der vom Unionsgesetzgeber in Art. 27 Abs. 3 dieser Verordnung verwendeten Formulierung und insbesondere aus der in den Buchst. a und b dieser Vorschrift verwendeten Konjunktion „oder“ hervorgeht, handelt es sich um alternative Maßnahmen.

76.      Erstens ist darauf hinzuweisen, dass der Gesetzgeber in Art. 28 Abs. 3 Unterabs. 3 der Dublin‑III-Verordnung vorsieht, dass die Sechswochenfrist von dem Zeitpunkt an, ab dem der Rechtsbehelf oder die Überprüfung „gemäß Art. 27 Abs. 3“ keine aufschiebende Wirkung mehr hat, zu laufen beginnt. Der Gesetzgeber berechnet diese Frist also auf gleiche Weise, unabhängig davon, ob die Aussetzung der Überstellungsentscheidung im Sinne von Art. 27 Abs. 3 Buchst. a dieser Verordnung automatisch erfolgt, ob sie im Rahmen von Art. 27 Abs. 3 Buchst. b dieser Verordnung vom zuständigen nationalen Gericht verfügt wurde oder ob die betreffende Person von der ihr nach Art. 27 Abs. 3 Buchst. c dieser Verordnung zustehenden Möglichkeit Gebrauch gemacht und sie beantragt hat.

77.      Zweitens meine ich, dass unter Berücksichtigung des Gestaltungsspielraums, über den die Mitgliedstaaten nach Art. 27 Abs. 3 der Dublin‑III-Verordnung hinsichtlich der Form und der Modalitäten der Aussetzung der Überstellungsentscheidung verfügen, die in Art. 28 Abs. 3 dieser Verordnung vorgesehene Sechswochenfrist nur eine objektive Frist sein kann, die von dem Zeitpunkt an läuft, ab dem das Rechtsmittel gegen die Überstellungsentscheidung oder die Überprüfung keine aufschiebende Wirkung mehr hat, unabhängig davon, welche rechtliche Regelung die Mitgliedstaaten getroffen haben.

78.      Im vorliegenden Fall geht aus dem vom vorlegenden Gericht in seinem Ersuchen dargestellten Sachverhalt hervor, dass eine solche Aussetzung von der Einwanderungsbehörde in Anwendung von Kapitel 12 § 13 des Ausländergesetzes beschlossen wurde.

79.      Nach alledem schlage ich dem Gerichtshof vor, festzustellen, dass Art. 28 Abs. 3 Unterabs. 3 der Dublin‑III-Verordnung dahin auszulegen ist, dass die Mitgliedstaaten, wenn der Antragsteller ein Rechtsmittel gegen die Überstellungsentscheidung eingelegt oder die Überprüfung dieser Entscheidung beantragt hat, über eine Frist von sechs Wochen verfügen, um seine Überstellung durchzuführen, sobald das Rechtsmittel gegen die Überstellungsentscheidung oder die Überprüfung dieser Entscheidung keine aufschiebende Wirkung mehr hat, unabhängig davon, ob die Aussetzung der Überstellungsentscheidung im Sinne von Art. 27 Abs. 3 Buchst. a dieser Verordnung automatisch erfolgt, ob sie im Rahmen von Art. 27 Abs. 3 Buchst. b dieser Verordnung von den zuständigen nationalen Gerichten verfügt wurde oder von der betreffenden Person nach Art. 27 Abs. 3 Buchst. c dieser Verordnung beantragt wurde.

 C.      Zur zweiten Vorlagefrage

80.      Mit seiner zweiten Frage möchte das vorlegende Gericht vom Gerichtshof im Wesentlichen wissen, ob Art. 28 der Dublin‑III-Verordnung dahin auszulegen ist, dass er einer nationalen Rechtsvorschrift wie der in Rede stehenden entgegensteht, der zufolge sich eine Person, die internationalen Schutz beantragt hat, zum Zweck der Überstellung vom ersuchenden Mitgliedstaat in den ersuchten Mitgliedstaat höchstens zwei Monate in Haft befinden darf, falls keine eine längere Haftzeit rechtfertigenden schwerwiegenden Gründe vorliegen, und die Haft, wenn solche schwerwiegenden Gründe vorliegen, höchstens drei Monate bzw., wenn die Durchführung der Überstellungsentscheidung wegen mangelnder Kooperation des Antragstellers oder weil die Beschaffung der erforderlichen Dokumente Zeit braucht, voraussichtlich länger dauern wird, höchstens zwölf Monate dauern darf.

81.      Die Antwort auf diese Frage ergibt sich zunächst aus der Auslegung des Wortlauts von Art. 28 Abs. 3 dieser Verordnung, die ich im Rahmen der Prüfung der ersten Vorlagefrage vorgenommen habe.

82.      Aus den im Vorstehenden dargelegten Gründen bin ich der Ansicht, dass Art. 28 Abs. 3 dieser Verordnung in einer Situation wie der in Rede stehenden dahin auszulegen ist, dass die Mitgliedstaaten über eine Frist von höchstens sechs Wochen ab Inhaftnahme des Antragstellers verfügen, um die Überstellung in den zuständigen Mitgliedstaat durchzuführen.

83.      Eine nationale Rechtsvorschrift wie die in Rede stehende, die die Haft einer Person, die internationalen Schutz beantragt hat, während einer Dauer von mehr als sechs Wochen zulässt und ihre Verlängerung bis zu einer Dauer von höchstens zwölf Monaten gestattet, steht meines Erachtens völlig im Widerspruch zu der für eine zwingende und unmittelbar anwendbare Vorschrift, wie dies Art. 28 Abs. 3 der Dublin‑III-Verordnung ist, gebotenen Auslegung und daher zu der für Unionsverordnungen geltenden Verbindlichkeit.

84.      Zweitens stehen die Bestimmungen dieser nationalen Rechtsvorschriften meiner Ansicht nach dadurch, dass sie die Verlängerung dieser Haft aus vagen Gründen und bis zu einer Dauer von höchstens zwölf Monaten gestatten, „wenn die Durchführung der Überstellungsentscheidung wegen mangelnder Kooperation des Ausländers oder deshalb, weil die Beschaffung der erforderlichen Dokumente Zeit braucht, voraussichtlich länger dauern wird“(14), nicht nur im Widerspruch zu den Grundsätzen der Erforderlichkeit und Verhältnismäßigkeit, auf denen die Inhaftnahme einer Person, die internationalen Schutz beantragt hat, beruhen muss, sondern erfüllen auch die Erfordernisse der Klarheit und Vorhersehbarkeit nicht, die bei der Anordnung freiheitsbeschränkender Maßnahmen zu beachten sind.

85.      Ich weise darauf hin, dass der Unionsgesetzgeber in Art. 28 der Verordnung gewährleisten möchte, dass die Beschränkungen der Ausübung des Rechts auf Freiheit des Antragstellers innerhalb der Grenzen des unbedingt Erforderlichen bleiben, damit die betreffenden Mitgliedstaaten seine Überstellung durchführen können.

86.      Zum einen ist die Inhaftnahme einer Person, die internationalen Schutz beantragt hat, nach Art. 28 Abs. 2 der Verordnung nur aus einem einzigen Grund erlaubt, der mit dem Verhalten dieser Person zu tun hat, und die Behörden müssen nachweisen, dass eine erhebliche Fluchtgefahr besteht.

87.      Zum anderen kann diese Haft nicht über die ausdrücklich in Art. 28 Abs. 3 Unterabs. 2 und 3 der Dublin‑III-Verordnung festgesetzten Fristen hinaus verlängert werden. Diese Fristen stellen eine enge Begrenzung für die Durchführung des Verfahrens dar. Der Unionsgesetzgeber sieht keinen Grund vor, weshalb die Verlängerung dieser Fristen gerechtfertigt sein könnte, und der ersuchende Mitgliedstaat hat letztlich keine andere Wahl, als die Haft des Antragstellers zu beenden, wenn es ihm nicht gelingt, innerhalb offener Frist sein Gesuch auf Aufnahme oder Wiederaufnahme zu stellen oder diesen Antragsteller zu überstellen.

88.      Die nationalen Rechtsvorschriften weichen von diesen Grundsätzen offensichtlich ab.

89.      Erstens erlauben diese Rechtsvorschriften die Verlängerung der Haft.

90.      Zweitens machen diese Rechtsvorschriften die Verlängerung dieser freiheitsentziehenden Maßnahme vom Vorhandensein einer Gefahr oder Möglichkeit abhängig („wenn [die Durchführung] … voraussichtlich [länger dauern wird]“(15)), was offensichtlich im Widerspruch zum Erfordernis der Vorhersehbarkeit steht und nicht die notwendige Rechtssicherheit für den in Haft genommenen Einzelnen gewährleistet.

91.      Drittens erlauben diese Rechtsvorschriften die Verlängerung der Haft der Person, die internationalen Schutz beantragt hat, aus nicht weiter präzisierten „schwerwiegenden Gründen“ oder aus sonstigen Gründen, die meiner Ansicht nach nicht überzeugend sind.

92.      Dadurch, dass die Verlängerung dieser Haft bis zu einer maximalen Dauer von zwölf Monaten gestattet wird, weil „die Durchführung der Überstellungsentscheidung wegen mangelnder Kooperation des Ausländers oder deshalb, weil die Beschaffung der erforderlichen Dokumente Zeit braucht, voraussichtlich länger dauern wird“(16), stehen diese Rechtsvorschriften im Widerspruch zu den Gründen, weshalb diese Inhaftnahme gemäß Art. 28 Abs. 2 der Dublin‑III-Verordnung angeordnet werden darf.

93.      Ich weise darauf hin, dass mit der Inhaftnahme einer Person, die internationalen Schutz beantragt hat, bezweckt wird, die administrativen und praktischen Maßnahmen für ihre Überstellung zu erleichtern, wobei insbesondere gewährleistet sein muss, dass diese Person den zuständigen Behörden zur Verfügung steht und die Durchführung des Überstellungsverfahrens nicht gefährdet. Von dem Zeitpunkt an, ab dem der Antragsteller in Haft genommen wird, um die ordnungsgemäße Durchführung dieser Überstellung zu gewährleisten, erscheint es mir schwierig, die Verlängerung einer solchen Maßnahme damit zu rechtfertigen, dass Letzterer nicht kooperiert, obwohl er doch bereits seiner Freiheit beraubt ist.

94.      Zudem ist hinsichtlich des Grundes des Fehlens der für die Überstellung erforderlichen Dokumente darauf hinzuweisen, dass der Unionsgesetzgeber in Art. 9 Abs. 1 der Richtlinie 2013/33 ausdrücklich bestimmt hat, dass „Verzögerungen in den Verwaltungsverfahren, die nicht dem Antragsteller zuzurechnen sind, … keine Fortdauer der Haft [rechtfertigen]“.

95.      Nach alledem schlage ich dem Gerichtshof vor, festzustellen, dass Art. 28 Abs. 3 der Dublin‑III-Verordnung dahin auszulegen ist, dass er einer nationalen Rechtsvorschrift wie der in Rede stehenden entgegensteht, der zufolge sich eine Person, die internationalen Schutz beantragt hat, zum Zweck der Überstellung vom ersuchenden Mitgliedstaat in den ersuchten Mitgliedstaat höchstens zwei Monate in Haft befinden darf, falls keine eine längere Haftzeit rechtfertigenden schwerwiegenden Gründe vorliegen, und die Haft, wenn solche schwerwiegenden Gründe vorliegen, höchstens drei Monate bzw., wenn die Durchführung der Überstellungsentscheidung wegen mangelnder Kooperation des Antragstellers oder weil die Beschaffung der erforderlichen Dokumente mehr Zeit braucht, voraussichtlich länger dauern wird, höchstens zwölf Monate dauern darf.

 V.      Ergebnis

96.      Demgemäß schlage ich dem Gerichtshof vor, die Vorlagefragen des Kammarrätt i Stockholm – Migrationsöverdomstolen (Oberverwaltungsgericht Stockholm – Berufungsgericht für Einwanderungssachen, Schweden) wie folgt zu beantworten:

1.      Art. 28 Abs. 3 Unterabs. 1 der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist, ist dahin auszulegen, dass in einer Situation wie der in Rede stehenden, in der der ersuchende Mitgliedstaat die Person, die internationalen Schutz beantragt hat, in Haft genommen hat, nachdem der ersuchte Mitgliedstaat der Wiederaufnahme dieser Person zugestimmt hat, diese Mitgliedstaaten über eine Frist von sechs Wochen ab Inhaftnahme dieses Antragstellers verfügen, um dessen Überstellung durchzuführen.

2.      Art. 28 Abs. 3 Unterabs. 3 der Verordnung Nr. 604/2013 ist dahin auszulegen, dass die Mitgliedstaaten, wenn der Antragsteller ein Rechtsmittel gegen die Überstellungsentscheidung eingelegt oder die Überprüfung dieser Entscheidung beantragt hat, über eine Frist von sechs Wochen verfügen, um die Überstellung der Person, die internationalen Schutz beantragt hat, durchzuführen, sobald das Rechtsmittel gegen die Überstellungsentscheidung oder deren Überprüfung keine aufschiebende Wirkung mehr hat, unabhängig davon, ob die Aussetzung der Überstellungsentscheidung im Sinne von Art. 27 Abs. 3 Buchst. a dieser Verordnung automatisch erfolgt, ob sie im Rahmen von Art. 27 Abs. 3 Buchst. b der Dublin‑III-Verordnung von den zuständigen nationalen Gerichten verfügt wurde oder von der betreffenden Person nach Art. 27 Abs. 3 Buchst. c dieser Verordnung beantragt wurde.

3.      Art. 28 Abs. 3 der Verordnung Nr. 604/2013 ist dahin auszulegen, dass er einer nationalen Rechtsvorschrift wie der in Rede stehenden entgegensteht, der zufolge sich eine Person, die internationalen Schutz beantragt hat, zum Zweck der Überstellung vom ersuchenden Mitgliedstaat in den ersuchten Mitgliedstaat höchstens zwei Monate in Haft befinden darf, falls keine eine längere Haftzeit rechtfertigenden schwerwiegenden Gründe vorliegen, und die Haft, wenn solche schwerwiegenden Gründe vorliegen, höchstens drei Monate bzw., wenn die Durchführung der Überstellungsentscheidung wegen mangelnder Kooperation des Antragstellers oder weil die Beschaffung der erforderlichen Dokumente Zeit braucht, voraussichtlich länger dauern wird, höchstens zwölf Monate dauern darf.


1 Originalsprache: Französisch.


2      Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist (ABl. 2013, L 180, S. 31), im Folgenden „Dublin-III-Verordnung“.


3      ABl. 2013, L 180, S. 96.


4      Art. 2 Buchst. n dieser Verordnung definiert „Fluchtgefahr“ als „das Vorliegen von Gründen im Einzelfall, die auf objektiven gesetzlich festgelegten Kriterien beruhen und zu der Annahme Anlass geben, dass sich ein Antragsteller, ein Drittstaatsangehöriger oder Staatenloser, gegen den ein Überstellungsverfahren läuft, diesem Verfahren möglicherweise durch Flucht entziehen könnte“.


5      SFS 2005, Nr. 716, im Folgenden: Ausländergesetz.


6      Hervorhebung nur hier.


7      Hervorhebung nur hier.


8      Siehe Nr. 34 der vorliegenden Schlussanträge.


9      Siehe Nr. 43 der vorliegenden Schlussanträge.


10      Vgl. Urteil vom 29. Januar 2009, Petrosian (C‑19/08, EU:C:2009:41, Rn. 40 und 44).


11      C‑19/08, EU:C:2009:41.


12      Verordnung des Rates vom 18. Februar 2003 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen in einem Mitgliedstaat gestellten Asylantrags zuständig ist, die durch die Dublin-III-Verordnung aufgehoben worden ist.


13      Vgl. Urteil vom 29. Januar 2009, Petrosian (C‑19/08, EU:C:2009:41, Rn. 40).


14      Vgl. Kapitel 10 § 4 Abs. 2 Ausländergesetz. Hervorhebung nur hier.


15      Vgl. Kapitel 10 § 4 Abs. 2 Ausländergesetz. Hervorhebung nur hier.


16      Vgl. Kapitel 10 § 4 Abs. 2 Ausländergesetz. Hervorhebung nur hier.